Wissensmanagement Teil 3 Wissen identifizieren

Wissen identifizieren: Wissensmanager gehen vorhandenem Wissen auf die Spur

Die Basis dafür wurde bereits mit den strategischen und operativen Wissenszielen (siehe Teil 1) sowie den primären und sekundären Zielgruppen (siehe Teil 2) gelegt. Zusammen mit den noch in diesem Teil zu ermittelnden Elementen ergeben sich daraus schließlich die notwendigen Inhaltsdimensionen.

Ableitung der Inhaltsdimensionen: Treffende Inhaltsdimensionen sind die Voraussetzung für den Auf- und Ausbau eines systematischen Wissensmanagements nach DIN EN ISO 9001:2015. Als Grundgerüst durchziehen sie das gesamte Wissensmanagement, mit ihnen steht oder fällt das System. Sie helfen, Inhalte abzulegen und zu finden, sind Grundlage für effektive Suchfunktionen, die Navigationsstruktur von Portalen sowie eine mögliche Personalisierung von Inhalten. Sie haben damit direkten Einfluss auf die Nutzbarkeit von Wissensmanagement-Systemen sowie auf die Zufriedenheit der Nutzer. Auch der Return On Invest (ROI) des Wissensmanagements einer Organisation ist wesentlich von der Qualität der Inhaltsdimensionen abhängig, denn diese bewirken, dass wertvolle Arbeitszeit durch sinnvolle Informations- und Suchmöglichkeiten besser genutzt wird.

Die typischsten und häufigsten Inhaltsdimensionen sind dabei:

  • Organisationsform:

    Gliederung in Schwester-, Tochterorganisationen, Units

  • Standorte:

    Niederlassungen in Ländern (gemeinsame Sprachen?) und Städten

  • Hierarchische Stellung:

    Vorstand, Führungskräfte, Betriebsrat, weitere… Diese Dimension hat unter anderem Einfluss auf die Sichtbarkeit verschiedener Inhalte in einem Mitarbeiterportal oder anderen IT-Systemen

  • Fachliche Themen:

    Abteilungen, übergreifende Themen, Projekte. Fachthemen bilden den inhaltlich umfangreichsten Teil des Wissensmanagements. Sie umfassen Informationen zu Markt, Wettbewerb und Kundengruppen, zu den Produkten und Dienstleistungen selbst sowie den damit verbundenen Prozessen, Ausführungs- und Fertigungsgängen. Fachthemen können auch mehrere Inhaltsdimensionen bilden, z.B. Produkte und Dienstleistungen, Themen nach Abteilungen (Management, Personal, Vertrieb, Marketing…)

  • Art der Information:

    Die einfachste und praktikabelste Unterscheidung besteht hier aus Theorie bzw. Hintergrundwissen sowie praktischem Wissen, z.B. wie genau Dinge zu tun sind, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Diese Dimension ist unabhängig von der Organisation und bezieht sich auf die Inhalte selbst. Weitere Details siehe unten im Exkurs.

Zusätzliche Merkmale für die Inhalte

Zusätzlich sollten in der Architektur des Wissensmanagements die nachfolgenden Merkmale beachtet werden. Diese sind keine eigenständigen Inhaltsdimensionen, sondern bilden Untergliederungen der Inhalte selbst:

  • Lebensdauer und Relevanz: Diese Merkmale spielen eine wesentliche Rolle für den Informations-Lebenszyklus. Ziel von Wissensmanagement ist nicht nur das Verfügbarmachen wichtiger Informationen, sondern auch die Beseitigung unnötiger oder veralteter Informationen. Obwohl die Kosten für Speicher bei Informationssystemen heute nicht mehr so stark ins Gewicht fallen, kann z. B. im Bereich Enterprise-Search die Indizierung unnötiger oder redundanter Informationen die Systemkosten um ein Mehrfaches erhöhen.
  • Push oder Pull: Das Pull-Prinzip bedeutet die aktive Recherche und Beschaffung von Informationen durch den Nutzer selbst, z. B. durch Nutzung der Suchmöglichkeiten eines Portals oder Download von Vorlagen aus den vorgegebenen Ablagestrukturen. Push bedeutet, dass der Nutzer von außen mit Informationen versorgt wird. Z. B. mittels Newsletter oder durch Personalisierung-Funktionen eines Portals, die dem Nutzer automatisch die für ihn relevanten Informationen anzeigen. Das erweiterte Push-Prinzip kommt in besonderen Fällen zum Einsatz, wenn der Nutzer zusätzlich bestätigen muss, dass er die Informationen zur Kenntnis genommen hat. In rechtlich wichtigen Fällen (z. B. Personalthemen) wird dies schriftlich fixiert. In anderen Fällen kann dies durch Portal-Workflows vereinfacht werden. Ein Kennzeichen guter Wissensmanagement-Systeme ist eine praktikable und anwenderfreundliche Kombination von Push und Pull (vergleiche Teil 7: Wissen verteilen).

Wissensarten

Wissen ist nicht gleich Wissen. Ein Maschinenbauingenieur kann den optimalen Winkel für eine Bohrerspitze berechnen, um Beton zu bohren. Dieses Wissen unterscheidet sich jedoch vom Know-how eines Installateurs, der genau weiß, wie er die tatsächlichen Bohrungen in einem Bad durchführen muss, um eine Wasserleitung zu legen. Daher unterscheiden wir heute verschiedene Wissensarten. Für das Wissensmanagement spielt diese Unterscheidung eine wichtige Rolle, denn sie unterscheiden sich ebenfalls in der Form der Weitergabe an andere und damit in der notwendigen Wissensverteilung.

  • Know-that bezeichnet Sachwissen und theoretische Hintergründe. Diese Form von Wissen findet sich in Fachliteratur bzw. Fachmedien. Entsprechend aufbereitet, lässt sich Know-that gut in Systemen wie Mitarbeiterportalen ablegen und auffinden.
  • Know-how meint konkretes Handlungs- und Erfahrungswissen. Es besteht aus praktischem Können und Fähigkeiten. Dies ist ein wesentlicher Teil der IHK-Ausbildungen bzw. wird vom Meister an die Auszubildenden weitergegeben. In anderen Bereichen entsteht es durch „Learning on the Job“. Für das Wissensmanagement besteht die Herausforderung, das es nur schwer explizierbar ist, Ansätze zur Abbildung von Know-how bieten Checklisten, To-do-Erläuterungen, Manuals oder Videodemonstrationen sowie natürlich konkrete Ausbildungen, Schulungen, Wissenswerkstätten oder Barcamps.
  • Know-about bezieht den Kontext ein, in welchem konkretes Know-how angewendet wurde, z.B. im Kontakt mit unterschiedlichen Kunden oder Situationen. Es wird in Erlebnissen selbst erfahren oder in über Geschichten oder Anekdoten weitergegeben. Know-about entsteht in konkreten Situationen oder im direkten Kontakt mit anderen.
  • Know-why bezeichnet Metawissen bzw. Reflexionswissen. Es setzt die obigen issensformen voraus. Im Wissensmanagement lässt sich Know-why z.B. in Form von „Lessons Learned“ sowie durch (protokollierte) Kommunikation im Team oder Reviews abbilden. Persönliche Reflexionen können in Form von Blogs umgesetzt werden, die auch für andere Personen sichtbar sind.
  • Know-what-to-do als tief gehendes Experten- und Beraterwissen kann als Synthese aller oben beschriebenen Wissensformen verstanden werden. Es wird vom Einzelnen selbst bei komplexen Entscheidungsprozessen erworben und stetig erweitert. Daher kann es nicht direkt abgebildet werden. Die Aufgabe des Wissensmanagements in Bezug auf Know-what-to-do liegt darin, zusammen mit den Personalverantwortlichen Räume und Umgebungsbedingungen zu schaffen, in denen dieses Wissen entstehen und reifen kann.

(Darstellung nach U. Roumois: Studienbuch Wissensmanagement)

Bestandsaufnahme: Wo ist das Wissen der Organisation?

Folgende beiden Quellen unterscheidet die DIN EN/ISO 9001:2015 in Kap. 7.1.6 für das Wissen einer Organisation unterscheiden:

  • Interne Quellen Das präziseste und umfassendste Wissen über die eigenen Angebote, Produkte oder Dienstleistungen findet sich natürlich in der Organisation bzw. dem Unternehmen selbst. Der überwiegende Teil davon ist in den Köpfen der Mitarbeiter „gespeichert´“ und nur ein geringer Teil ist explizit dokumentiert. Letzteres z.B. in Form von Produkten und Produktbeschreibungen, Dokumentationen zu Dienstleistungen, Patenten, Prozessen (auch Software, die Prozesse abbildet), Arbeitsunterlagen oder Intranet-Einträgen zu Projekten
  • Externe Quellen Durch den globalen Wettbewerbsdruck und die schnellen Produktionszyklen ist es für die meisten Unternehmen heute wichtiger denn je, auch im Bereich Wissensmanagement auf eine ausgewogene Mischung aus internen und externen Quellen zugreifen zu können. Überwiegen die externen Quellen, z.B. durch rasches Wachstum mit der Rekrutierung neuer Mitarbeiter, so besteht die Gefahr, dass die Kernkompetenzen des Unternehmens verwischt werden. Insbesondere, wenn diese nicht ausreichend explizit über das Wissensmanagement dokumentiert sind. Fehlt es dagegen an externen Quellen, schwächt dies die Position im Wettbewerb. Eine wesentliche Aufgabe des Wissens­managements besteht heute darin, nicht nur für die Verfügbarkeit beider Quellen, sondern auch für deren angemessenes Verhältnis zueinander zu sorgen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissensmanagement und Personalwesen wichtig. Externe Quellen sind insbesondere Ausbildungen neuer und bestehender Mitarbeiter in Hochschulen oder auf Basis von IHK, DIN-, EN- und ISO-Normen, Konferenzen, Messen, Austausch mit Kunden oder externen Anbietern sowie Fachbücher, -zeitschriften und neue Medien.

In einer Bestandsaufnahme sollten nun die bereits bestehenden Systeme der Organisation untersucht werden, in welchen das vorhandene Wissen gespeichert ist:

  • „Köpfe“ der Mitarbeiter
  • Intranet/Mitarbeiterportal
  • E-Mail-System
  • Fileserver
  • Dokumentenmanagement-System
  • Fachbücher, -zeitschriften, -medien
  • Ggf. Qualitätsmanagement-System,
    weitere Software mit Abbildung von
    Unternehmensprozessen
  • Weitere…

Quellen

Gilbert Probst, Steffen Raub, Kai, Romhardt: Wissen managen, Wiesbaden, 7. Auflage 2012 [Probst 2012:63 ff]

Klaus North, Andreas Brandner, Thomas Steininger: Wissensmanagement für Qualitätsmanager, Wiesbaden, 2016 [North 2016:12]

DIN/ISO 9001:2015 Kap. 7.1.6

Ursula Hasler Roumois: Studienbuch Wissensmanagement, Zürich, 3. Auflage 2013 [Roumois 2013:57]

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Teil 1: Wissensstrategie & Ziele

Teil 2: Wissensbedarf ermitteln

Teil 4: Wissen richtig anwenden

Teil 5: Wissen transparent machen

Teil 6: Wissen aufbereiten

Teil 7: Wissen teilen und verteilen