Wissensmanagement Teil 2 Wissensbedarf ermitteln

Die neue DIN/ISO 9001:2015 geht berechtigterweise davon aus, dass sich Märkte und damit auch die Anforderungen an das Firmenwissen ändern. Das Eingehen auf diese „sich ändernden Erfordernisse(n) und Entwicklungstendenzen“ bringt starke Dynamik in die Art der Umsetzung. In frühen Zeiten des Wissensmanagements ging man noch davon aus, dass es genügt, Wissen in Wissensdatenbanken abzulegen und zu speichern. Nicht selten führte dies zu wenig attraktiven Wissens-Silos, die nur ungern genutzt wurden. Bei der Ermittlung des heutigen Wissensbedarfs geht man davon aus, dass der gesamte Inhalts-Lebenszyklus eine wichtige Rolle. Er beinhaltet regelmäßiges Überprüfen, Ergänzen und Korrigieren von Inhalten sowie das Verwerfen nicht mehr aktueller Informationen. In manchen Bereichen dominiert sogar die Aktualität über das Bewahren. Daher ist es wesentlich, bei den ersten konzeptionellen Schritten auch die Lebensdauer der unterschiedlichen Inhalte zu beachten. In der späteren Praxis müssen sich aktuelle Informationen mit kurzem Verfallsdatum von solchen mit langer Lebensdauer trennen lassen.

Beispiel Wissensbedarf

Wissensbedarf und Zielgruppen

Der Wissensbedarf der Organisation baut zum einen auf den in Schritt 1 ermittelten strategischen und operativen Wissenszielen auf. Damit später das richtige Wissen auch die richtigen Empfänger erreicht, ist es in diesem zweiten Schritt wichtig, die Zielgruppen herauszuarbeiten.

Hier wird zum einen versucht, die primäre Zielgruppe der Mitarbeiter nach unterschiedlichen, für das Unternehmen oder die Organisation besonders relevanten Gesichtspunkten zu strukturieren, welche für die spätere Aufbereitung und Verteilung des Wissens wichtig sind.

Wichtige Aspekte, die bei der Zielgruppenanalyse der Mitarbeiter betrachtet werden sollten:

  • Units und Abteilungen (entsprechend der Aufbauorganisation)
  • Standorte – ggf. inkl. der jeweiligen Sprachen
  • interne und externe Mitarbeiter
  • Generalisten mit breitem Oberflächenwissen und Experten mit tiefer gehendem Spezialwissen
  • Alter und Geschlecht – teilweise gibt es hier Zusammenhänge zwischen der bevorzugten Form der Erfassung und der Präsentation des Wissens
  • Technikaffinität – teilweise Zusammenhänge mit Alter und Bildungsstand
  • Führungskräfte

Aktuell besteht immer häufiger der Trend, auch andere Stakeholder der Organisation in den Wissensprozess einzubeziehen. Typische Beispiele dafür sind der direkte Austausch von Forschung und Entwicklung mit Endkunden oder die enge Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Handel.

Wissensbedarf der sekundären Zielgruppen:

  • Kunden
  • Zulieferer
  • Dienstleister
  • Fachhändler oder andere Partner
  • Presse
  • Bewerber

Nach DIN 9001:2015 ist heute nicht nur das Wissen zur Erfüllung der direkten Kundenanforderungen wichtig, sondern ebenfalls das Wissen, um den Anforderungen aller relevanten interessierten Parteien bzw. Stakeholder gerecht zu werden.

Einsatz von Personas

Bei umfangreichen Wissensmanagement-Projekten ist es sinnvoll, mit sogenannten Personas zu arbeiten. Dieser Ansatz stammt aus einem Teilbereich der Informatik, der Mensch-Computer-Interaktion (MCI) bzw. Human Computer Interaction (HCI). Häufig wird er auch beim Online-Marketing eingesetzt. Dabei werden für die identifizierten Zielgruppen 1–2 Personen erfunden, z. B. Frau Ingeborg Müller aus der Personalabteilung oder Herr Peter Schmidt aus dem Vorstand. Diese erhalten bestimmte Merkmale wie Aufgabe und Position im Unternehmen, Bildung, Alter, Technikaffinität, Interessengebiete. Anhand dieser Merkmale lässt sich konkret hinterfragen, welche Informationen sie benötigen und in welcher Form diese am besten aufbereitet werden sollten. Bei den Abstimmungen machen diese Personas die teilweise sehr abstrakten Themen von Aufbau und Aufbereitung des Wissens konkreter und lebendiger.

Georg Müller Personalreferent und Teamleiter,
5 Jahre Betriebszugehörigkeit

Bachelor (Personalmanagement, -dienstleistung)
29 Jahre, nicht verheiratet
Wissensgebiete: Personalwirtschaft, Personalrecht
Interessen und Hobbies: Rennrad fahren, soziale Netzwerke, Essen gehen, Bergklettern

Dr. Peter Schmidt
Vorstand Finanzen, 25 Jahre Betriebszugehörigkeit

Promotion Finanzwesen/Controlling
58 Jahre, verheiratet, 2 Kinder
Wissensgebiete: Finanzen, Controlling, Management
Interessen und Hobbies: Theater, Golf

Für die Erstellung von Personas kann – abhängig vom Unternehmen und den festgestellten Wissenszielen – eine Ausarbeitung der folgenden Merkmale sinnvoll sein:

  • Vor- und Nachname
  • Foto: Dies macht die Persona konkreter
  • Alter und Geschlecht
  • Ausbildung, Bildungsstand, berufliche Position
  • Zielgruppe: Interner/externer Mitarbeiter, Kunde, Zulieferer…
  • Aufgaben im Unternehmen: Was erwartet die Persona vom Wissensmanagement? Welche Probleme sollen gelöst werden, welche Anregungen sind wichtig?
  • Wissensgebiete: Wonach sucht die Persona? Welche Wissensgebiete sind wichtig?
  • Lernverhalten, Umgang mit Medien, technische Affinität: Wie lernt diese Persona am besten, wie ist das Wissen für diese Persona am besten aufbereitet? Wie gut kann die Person mit neuen Medien umgehen – welchen Schulungsaufwand bringt die Einführung von Wissensmanagement-Systemen mit sich?
  • Ggf. Hobbies, Freizeitbeschäftigungen, Freunde, Nutzung sozialer Medien (Facebook, XING, Twitter)
  • Erwartungen an das Wissensmanagement im Unternehmen
  • Wissensziele: Welche strategischen und operativen Ziele des Wissensmanagements betreffen diese diese Persona (vergleiche Teil 1: Wissensstrategie und -ziele)? Dieser Punkt kann genutzt werden, um die zuvor erarbeiteten Wissensziele praktisch an Hand der Personas zu verifizieren

Die erstellten Personas lassen sich nicht nur für die anfängliche Analyse nutzen, sondern ebenfalls in späteren Phasen, wenn es um Erweiterungen des Wissensmanagements geht.

Quellen

  • Gilbert Probst, Steffen Raub, Kai, Romhardt: Wissen managen, Wiesbaden, 7. Auflage 2012 [Probst 2012:47 ff]
  • Klaus North, Andreas Brandner, Thomas Steininger: Wissensmanagement für Qualitätsmanager, Wiesbaden, 2016 [North 2016:15]
  • DIN/ISO 9001:2015 Kap. 4.2
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Persona_(Mensch-Computer-Interaktion); abgerufen am 19.7.2016
  • John Pruitt, Tamara Adlin: The Persona Lifecycle: A Field Guide for Interaction Designers. Keeping People in Mind Throughout Product Design. Morgan Kaufmann (2005)

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Teil 1: Wissensstrategie & Ziele

Teil 3: Wissen identifizieren

Teil 4: Wissen richtig anwenden

Teil 5: Wissen transparent machen

Teil 6: Wissen aufbereiten

Teil 7: Wissen teilen und verteilen